Dem Klimaschutz den Vortritt geben

17.08.2020

Lukas Wiss, Grossratskandidat JUSO

Nicht nur wirtschaftliche und soziale Verhältnisse, Kämpfe, Ideen und Debatten formen eine Gesellschaft. Sie wird zuweilen auch ganz konkret gebaut. Am sichtbarsten wird das in Städten. Bauten sind manchmal beständiger als Ideen und können erstaunlich schnell aus der Zeit fallen.

In den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde der Städtebau in Basel ganz klar aufs Auto ausgerichtet. Das eigene Auto sollte das Mass aller Dinge sein, als Symbol für den gesellschaftlichen Fortschritt und Wohlstand für alle herhalten. Ob HeuwaageViadukt oder Osttangente, anschauliche Beispiele gibt es zuhauf. Es gab gar den Plan, eine vierspurige Schnellstrasse zwischen Barfi und Schifflände zu bauen und dafür mal eben die halbe Altstadt abzureissen!

Die Basler Bürgerlichen, allen voran die FDP, aber auch Gruppierungen wie der TCS und der Gewerbeverband, leben noch heute in dieser Zeit. Für ihre Anhänger*innen ist es das Mass aller Dinge, mit dem Auto überall hinzufahren und es selbstverständlich gratis oder für kleines Geld auf öffentlichem Raum abzustellen. Würden alle Einwohner*innen diesem Beispiel folgen und sich nur noch mit dem Auto fortbewegen, wäre es bis zum totalen Kollaps des Verkehrs, der Luftqualität und des städtischen Lebens nicht mehr weit.

Unsere rot-grün-dominierte Regierung hat in ihren 16 Jahren für viele Fortschritte beim Anlegen von Velospuren und beim Tramnetz gesorgt und die Innenstadt weitgehend vom privaten Autoverkehr befreit. Und doch hat sie es noch immer nicht gewagt, dem Auto in der Stadt konsequent den Vortritt zu nehmen. Man begnügt sich damit, die Velostadt Nr.2 der Schweiz zu sein (nach Winterthur), weit entfernt von echten Vorbildern wie Kopenhagen, Amsterdam oder Münster. Wer Velo fährt, muss an jeder Kreuzung an den Hauptachsen den Autos den Vortritt lassen und einige Kreativität walten lassen, um auf auf der Ostseite des Bahnhofs oder am Barfi einen Abstellplatz zu finden.

Selbst den massiven Velo-Boom während des Corona-Lockdowns nahm man bei uns wohlwollend zur Kenntnis, gemacht wurde daraus bis jetzt herzlich wenig. In anderen Städten Europas wie London oder Barcelona war man da weit weniger zimperlich. Ganze Strassenzüge wurden kurzerhand zu Express-Velostrassen umfunktioniert, damit nur noch jene Menschen öV fahren mussten, die kein Velo fahren können oder wollen. Die Krise machte es plötzlich möglich, die Bequemlichkeit der Auspufffreund*innen auf die hinteren Plätze der Prioritätenliste zu verweisen.

Unser Problem ist, dass ein Wandel, der eigentlich blitzschnell vonstatten gehen müsste (Klimaabkommen von Paris und so!) sich über Jahrzehnte hinzieht. Solange unnötige Autofahrten innerhalb der Stadt so bequem sind, finden sie halt einfach statt. Die Autolobby wittert dank E-Autos schon Morgenluft und ignoriert dabei natürlich grosszügig die Platz- und Sicherheitsprobleme die auch emissionsfreie Autos mit sich bringen.

Die unbequeme Wahrheit kennen wir eigentlich alle: Wir müssen den Autos Platz und Vortritt wegnehmen, um die Velorouten sicherer und den öV schneller zu machen.

Klar, um bestimmte Nutzungen des Autos kommen wir (noch) nicht herum. Schwere Güter müssen per Lastwagen transportiert werden, es braucht Ambulanzen und auch Taxis haben ihre Berechtigung. Aber schon bei der städtischen Warenlogistik wäre mit etwas Fantasie weit mehr möglich. Ein System von Cargorikschas und Cargovelos, oder auch kleineren Elektrofahrzeugen könnte den grössten Teil der städtischen Logistik abwickeln, anstatt dass jeder zweite Blumenstrauss, Pillenpäckli, Getränkeharass oder Pizza von einem PW oder halbleeren Lieferwagen ausgefahren wird. Was nutzen uns die smartesten Apps, wenn sie doch am Ende nur einen schweren und platzverschwendenden Dinosaurier ans Ziel lotsen?

Um aus dieser Sackgasse herauszukommen, brauchen wir schleunigstens frischen Wind. Wir brauchen die rot-grüne Mehrheit endlich auch im Grossen Rat. Wir brauchen Entscheidungsträger*innen, die bereits sind, dem Velo den Vortritt zu lassen – mit Veloschnellbahnen, grüner Welle und sicheren Velowegen. Die für mehr Veloabstellplätze sorgen, insbesondere in der Innenstadt und an den Bahnhöfen. Die dem Ausbau des Trams und der S-Bahn den Weg ebnen. Die bereit sind, innerhalb der nächsten vier Jahre die Weichen für eine komplett emissionsfreie Stadtlogistik zu stellen.

Basel hat das Zeug, Velostadt Nummer 1 und Klimaschutz-Vorreiterin der Schweiz zu werden - packen wirs an!