offener Brief an GrossrätInnen

26.06.2012

Sehr geehrte Parlamentarierinnen und Parlamentarier
Wie jede offizielle Delegation, wurden auch die ungefähr 130 Sans-Papiers anlässlich des Marche desSans-Papiers letzten Donnerstag von Grossratspräsident Daniel Goepfert in Basel empfangen.
Zwei Tage blieben die marschierenden Sans-Papiers in Basel um gemeinsam mit Sympathisant_innen auf die unhaltbare Situation der Sans-Papiers aufmerksam zu machen.
Wir begrüssen die symbolische Geste von Grossratspräsident Daniel Goepfert. Sie ist ein Zeichen dafür, dass der „oberste Basler“ nicht einer abgehobenen politischen Klasse angehört,sondern das Weltgeschehen auch als aktiver Bürger betrachtet und sich als solcher auch auf der Strasse für die Menschen einsetzt. Dass er als kritischer und aufmerksamer Mensch das Problem der Sans-Papiers anerkennt.
In Basel leben ungefähr 20'000 Sans-Papiers. Ihr Status ist der von „illegalen“ Menschen. Menschen die amtlich nicht existieren. Da ihnen für ihre eigene Existenzsicherung einzig die Möglichkeit der Schwarzarbeit offen steht, werden sie oftmals als Billigarbeitskräfte schamlos ausgenutzt.
Die Sans-Papiers haben auch keine Möglichkeit, ihren Aufenthaltsort zu wechseln – sie sind de facto staatenlos. Sie existieren aber trotzdem, und sie bringen auch Leistung und Mehrwert für die Gesellschaft – freilich aber unter stetiger Angst, von dieser kriminalisiert zu werden.
Die JUSO ist sehr befremdet, dass die SVP den Rücktritt des Grossratspräsidenten fordert. Mit 87 von 92 Stimmen wurde Goepfert im Februrar 2012 zum Grossratspräsident gewählt. Dass die SVP nicht daran interessiert ist echte Lösungen zu suchen, sondern nur auf billigste Weise polemisiert, Hetze betreibt und Köpfe fordert, ist zwar nichts Neues. Neu ist aber auch nicht, dass die SVP mit dieser Rhetorik immer nur Probleme bewirtschaftet, anstatt sie zu lösen. Die jetzige nationale Debatte über eine erneute Asylgesetzesrevision (und damit die irrationale und zynische Verschärfung des Asylgesetzes, die kein einziges Problem löst, sondern neue schafft) mahnt uns.
In diesem Sinne bedanken wir uns bei Daniel Goepfert für seine Solidarität. Wir weisen die Rücktrittsforderung in aller Form zurück und verbleiben in der Hoffnung, dass an der heutigen Sitzung nicht ein Rücktritt Goepferts, sondern der Umgang mit Sans-Papiers zum Thema wird.
Wir bitten Sie, liebe Grossrätinnen und Grossräte, den unsäglichen Rücktrittsforderungen der SVP eine Abfuhr zu erteilen und sich sachlich und ohne ideologische Scheuklappen mit dem Thema auseinanderzusetzen. Als Vertretung des Volkes in einer Demokratie ist es ihre Pflicht, auch denen eine Stimme geben, die selber nicht sprechen können. Kein Mensch ist illegal.
Mit freundlichen Grüssen
JUSO Basel-Stadt