Der Kommissionsbericht zum Roche Bebauungsplan: eine Farce!

27.05.2016

Die JUSO Basel-Stadt reagiert enttäuscht und mit Unverständnis auf den Kommissionsbericht zum Bebauungsplan der Roche: Die von der JUSO eingebrachten Kritikpunkte wurden nicht berücksichtigt.

Die politische Auseinandersetzung mit dem Bebauungsplan der Roche geht in die entscheidende Runde: Nachdem die Bau- und Raumplanungskommission (BRK) Anfang des Monats ihren Bericht veröffentlicht hat, wird das Geschäft voraussichtlich im Juni im Grossen Rat behandelt. Die JUSO Basel-Stadt hat bereits bei der öffentlichen Planauflage im Mai 2015 inhaltliche Kritik an den Ausbauplänen der Roche geäussert und als schriftliche Anregung auch offiziell eingereicht. „Wir haben die Bedeutung der Roche-Ausbaupläne für das gesamte Wachstum der Stadt erkannt und wollten frühzeitig eine inhaltlich fundierte Diskussion lancieren“, sagt Lukas Gruntz, Architekt und Leiter der AG Stadtentwicklung im Rückblick.
Anfang des Jahres wurde in einem informellen Gespräch mit den Projektverantwortlichen der Roche die jeweiligen Standpunkte dargelegt und diskutiert. „In unseren Augen wäre es dringend notwendig, dass die Roche, als eine der wichtigsten und mächtigsten Firmen unserer Stadt, ihre Verantwortung in Fragen der Stadtentwicklung wahrnimmt“, meint Mirjam Kohler, Co-Präsidentin der JUSO Basel-Stadt. “Es ist schwierig nachzuvollziehen, weshalb die Roche nicht bereits zum Zeitpunkt der Planung von Bau 1 absehen konnte, dass ein massiver zusätzlicher Ausbau des Areals notwendig sein wird”, kommentiert sie weiter. Damit hätte die raumplanerische Entwicklung mit der Zonenplanrevision (Stichwort: Stadtrandentwicklung Ost) und dem kantonalen Richtplan abgestimmt werden können. Heute stehen wir vor einem raumplanerischen Flickwerk – zu Ungunsten der Wohnraumsituation in Basel.
Mit regem Interesse hat die JUSO Basel-Stadt den Bericht der BRK studiert. „Mit grosser Enttäuschung und Unverständnis mussten wir feststellen, dass unsere Kritikpunkte in keiner Weise berücksichtigt oder eingearbeitet wurden“, hält Jessica Brandenburger, Co-Präsidentin der JUSO Basel-Stadt, fest. Weder im Ratschlag des Regierungsrats noch im Kommissionsbericht wurde der Bebauungsplan angepasst. Zur Veranschaulichung wollen wir zwei zentrale Kritikpunkte ausführen:
1. Bezahlbarer Wohnraum
In den neuen Bauten werden rund 3'000 neue Arbeitsplätze untergebracht sein, was die Nachfrage nach Wohnraum in Basel zwangsläufig erhöhen oder zu zusätzlichen Pendlerströmen führen wird. Nach der Ablehnung der Stadtrandentwicklung Ost bleibt es fraglich, wo bis zur geplanten Fertigstellung im Jahre 2021/22 der entsprechende Wohnraum gebaut werden soll. Die Antwort der Regierung auf unsere Kritik fällt lapidar aus: „Die Frage des Wohnungsbaus hat mit den vorliegenden nutzungsplanerischen Massnahmen nichts zu tun.“ (Ratschlag Seite 58). “Von grösserer Ignoranz oder Inkompetenz könnte eine Antwort kaum sein. Die Abhängigkeit des Angebots von Arbeitsplätzen zur Nachfrage nach Wohnraum gehört zum raumplanerischen Grundwissen”, kritisiert Lukas Gruntz. Der Bericht der BRK formuliert es da schon deutlich differenzierter:
“Unser Kanton ist erfolgreich, was die ökonomischen Kennzahlen auch klar nachweisen. So sind gemäss Auskunft des BVD in den letzten zehn Jahren gut 20‘000 Arbeitsplätze entstanden, aber nur knapp 10‘000 Einwohner hinzugekommen und lediglich gut 3‘300 Wohnungen zusätzlich erstellt worden. Da man von zwei Personen pro Arbeitsplatz ausgeht, hätte man rund 40‘000 Einwohner zulegen müssen. Die Diskrepanz ist offensichtlich. Folge ist, dass die Pendlerströme zunehmen inkl. aller negativen Folgen (Steigerung Schadstoffbelastung, Zersiedelung, Mehrkosten und Mehrfläche für ÖV und MIV, Verlust von Steuersubstrat etc.).“ (Kommissionsbericht Seite 8f) Wir halten fest, dass der ökonomische „Erfolg“ unseres Kantons offensichtlich mutwillig mit einer Wohnungsknappheit erkauft wird. Für die JUSO Basel-Stadt ist dies ein unhaltbarer Kuhhandel. Damit werden alle Geringverdienenden und sozial Schwächeren mittelfristig aus der Stadt vertrieben.
2. Nichteinhaltung Hochhauskonzept
Gestützt auf die Planungsgrundsätze des kantonalen Hochhauskonzepts haben wir in unserer Anregung die die Durchführung eines Architekturwettbewerbs gefordert. Im Hochhauskonzept (Seite 9) steht diesbezüglich folgendes festgeschrieben: „Die Bewilligung eines Hochhauses setzt in der Regel ein Varianzverfahren (Wettbewerbsverfahren) voraus. Hochhausgebiete unterstehen einer gesamtheitlichen Planungspflicht. Zur Sicherstellung nachhaltiger und qualitativ hochwertiger Lösungen sind komplexere Planungsprozesse erforderlich, bei denen Testplanungen, Wettbewerbsverfahren und mehrphasige Bebauungspläne zur Anwendung gelangen.“
Die Roche plant weder einen mehrphasigen Bebauungsplan noch einen Architekturwettbewerb. Lukas Gruntz dazu: „Der Verzicht auf einen Wettbewerb ist nicht nachvollziehbar. Würde ein solcher doch das Verständnis und damit die Akzeptanz für das Bauvorhaben in der Bevölkerung erhöhen“ Im Bericht der BRK (Seite 6) steht: „Durch den Verzicht auf ein Wettbewerbsverfahren wurden die Grundsätze des Hochhauskonzepts nicht verletzt, sieht dieses doch in begründeten Fällen Ausnahmen von der Regel vor.“ Wenn für das Stadtbild dermassen prägende Hochhäuser, wie diejenigen auf dem Roche-Areal errichtet werden, ist das Festhalten an der Ausnahmeregelung eine Bankrotterklärung an das Hochhauskonzept. Dadurch wird in Zukunft jede/r potente Bauherr_in der/die in Basel ein Hochhaus baut, sei es die Messe, Baloise, Helvetia oder Novartis, eine entsprechende Sonderbehandlung einfordern.
Die Begründung der Ausnahme liefert der Kommissionsbericht ebenfalls: „Dass im Rahmen dieses enormen Ausbauprojekts auf ein Wettbewerbsverfahren verzichtet wurde, leuchtet angesichts der Komplexität und der hohen betrieblichen und funktionalen Anforderungen ein.“ Die JUSO Basel-Stadt fragt sich, weshalb bei der komplexesten aller Bauaufgaben, dem Spitalbau, ausnahmslos immer ein Architekturwettbewerb durchgeführt, in diesem Fall aber kategorisch ausgeschlossen wird.
Die JUSO Basel-Stadt wird sich in den kommenden Wochen intensiv mit dem weiteren Vorgehen befassen. „Wir lassen uns alle direktdemokratischen Möglichkeiten offen“, meint Mirjam Kohler. An der Mitgliederversammlung im Juni wird die Strategie definiert. “Wir werden das Vorgehen intensiv diskutieren. Demokratische Mitsprache darf nicht davon abhängen, wieviel investiert wird”, erklärt Jessica Brandenburger. Zuvor bleibt als Hoffnungschimmer die Beratung im Grossen Rat: Dort besteht die letzte Möglichkeit, den Bebauungsplan mit den entsprechenden Anträgen anzupassen.