Recht auf Demonstrationen

Einleitung

Dieses Jahr jährte sich zum ersten Mal der polizeiliche Übergriff von 2023 auf den traditionellen und bewilligten 1. Mai-Umzug. Dieser Tag stellte die vorläufige Eskalationsspitze polizeilichen Umgangs mit Demonstrationen in Basel dar. Schon wenige Monate zuvor lief ein polizeilicher Einsatz gegen die Demonstration zum feministischen Kampftag in Basel völlig aus dem Ruder. Übertriebene Polizeieinsätze vor allem an linken Demonstrationen und fragwürdige Vorkommnisse wie die Anstellung des wegen Rassendiskriminierung verurteilten SVP-Politikers Adrian Spahr werfen schon seit Jahren schlechtes Licht auf die Basler Polizei und damit auch auf deren stets bürgerlichen Vorsteher*innen. Jüngstes Kapitel sind nun Massnahmen und Aussagen von Stephanie Eymann in Bezug auf den Umgang mit Fangewalt im Fussball, die im diametralen Widerspruch mit wissenschaftlichen Erkenntnissen stehen.

Dass es so nicht weitergehen kann, wissen und sagen wir als JUSO Basel-Stadt schon lange. Mit dieser Resolution stellen wir unsere dringlichsten Forderungen auf und entwerfen eine kurzfristige Vision für einen repressionsfreieren Kanton.

Polizeilicher Umgang mit Demonstrationen

Die Basler Kantonspolizei hat gemäss § 1 Abs. 1 PolG die Aufgabe, die öffentliche Sicherheit und Ordnung sicherzustellen. Im Zusammenhang mit Demonstrationen soll die Polizei Proteste gewährleisten und dafür sorgen, dass diese für die Teilnehmenden und die Bevölkerung friedlich und sicher verläuft. Dabei sollte die Polizei die Kommunikation in den Vordergrund stellen, um Konflikten durch Dialog und Vermittlung vorzubeugen und zur Deeskalation beitragen. Die Anwendung von Gewalt bzw. Zwang durch die Polizei sollte nur das letzte Mittel sein und nur in Ausnahmefällen erfolgen, in denen die öffentliche Sicherheit gefährdet ist. Dabei muss die Polizei stets die Verhältnismässigkeit wahren (§ 46 Abs. 1 PolG). Nur im Notfall ist die Kantonspolizei berechtigt, Wasserwerfer, Tränengas und Gummischrot anzuwenden, sowie einzelne Personen(gruppen) einzukesseln.

Leider hat sich in den letzten Jahren eine Tendenz zur übermässigen und unverhältnismässigen Anwendung von Gewalt (bzw. gewaltsamen polizeilichen Mitteln) seitens der Basler Polizei gezeigt. Ausserdem konnte beobachtet werden, wie das Mittel der Einkesselung ohne genügende rechtliche Grundlage angewendet wurde, um Personen von der Ausübung ihres Demonstrationsrechts abzuhalten.

Jüngst ist die Schweiz vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) für ihre Praxis der Einkesselung von nicht gewalttätigen Demonstrierenden gerügt worden. Dieses Urteil lässt sich auch auf die Basler Kantonspolizei übertragen, welche beispielsweise an der bewilligten 1. Mai-Demo 2023 nicht gewalttätige Demonstrierende über Stunden hinweg und unter Missachtung des Verhältnismässigkeitsprinzips ohne genügende Grundlage eingekesselt hat und ihnen während den ca. 6 bis 8 Stunden, in welchen sie sich im Kessel befanden, nicht gestattete, auf die Toilette zu gehen oder zu essen (die nicht eingekesselten Demonstrierenden hatten Nahrungsmittel für sie besorgt).

Gemäss völkerrechtlichen Standards soll eine Einkesselung nur als letztes Mittel und unter keinen Umständen als Mittel zur Auflösung eines Protests eingesetzt werden.

Ein weiteres gewaltvolles Mittel, welches von der Basler Kantonspolizei angewendet wird, ist Gummischrot. Am 8. März 2023 setzte die Basler Kantonspolizei Gummischrot gegen eine feministische Demonstration ein, bei der es weder zu Sachbeschädigungen noch zu Angriffen gekommen war, sondern lediglich eine Gruppe von Demonstrierenden mit einem Transparent auf die Polizeikette zugelaufen war.

Gummischrot ist ein extrem gefährliches und ungenaues polizeiliches Mittel. Seit den 1980er-Jahren wurden in der Schweiz 34 Fälle von schweren Augenverletzungen (darunter auch Erblindungen) nach Gummischrot-Einsätzen dokumentiert. Die Dunkelziffer liegt wohl deutlich höher. In zahlreichen europäischen Ländern ist der Einsatz von Gummischrot verboten (unter anderem in Deutschland, Rumänien, Irland, Dänemark, Norwegen, Schweden, Finnland und Österreich). Die deutsche Gewerkschaft der Polizei Nordrhein-Westfalen lehnte 2012 eine Aufrüstung mit Gummischrot mit folgenden Worten ab: «Wir leben in Deutschland, nicht in einem Bürgerkrieg.» Wer Gummigeschosse einsetzen wolle, nehme bewusst in Kauf, dass es zu Schwerverletzten komme. Das sei in einer Demokratie nicht hinnehmbar.

Und trotzdem scheint die Basler Kantonspolizei davon überzeugt zu sein, dieses gefährliche Mittel weiterhin anzuwenden und ist in ihrer Grundlage für dessen Anwendung mehr als grosszügig. Es stellt sich die Frage, ob der Kantonspolizei in Zukunft ein derart gefährliches Mittel anvertraut werden kann, nachdem diese mehrfach bewiesen haben, dass sie die Wahrung der Verhältnismässigkeit in Bezug auf Demonstrationen nicht einhalten und die Idee des Einsatzes von Gummischrot (und anderen gewaltvollen Mitteln) als ultima ratio nicht verstanden haben.

Die JUSO Basel-Stadt fordert deshalb ein Verbot des Einsatzes von Gummischrot und eine äusserst restriktive Anwendung anderer polizeilicher Gewaltmittel, welche lediglich bei Gefahr für Leib und Leben und unter strikter Beachtung der Verhältnismässigkeit zum Einsatz kommen sollten. Ausserdem fordern wir die Basler Kantonspolizei dazu auf, die rechtsstaatlichen Prinzipien in Bezug auf Demonstrationen einzuhalten und ihre Aufgabe, den Schutz der Menschen und deren Grundrechte, wahrzunehmen.

Behördlicher/ verwaltungstechnischer Umgang mit Demonstrationen

Derzeit sind Demonstrationen und andere Versammlungen prinzipiell von den Behörden zu bewilligen. Dies ist rechtlich gesehen höchst problematisch, denn die Versammlungsfreiheit ist ein Grundrecht. Zwar wird oft behauptet, auch unbewilligte Demonstrationen würden, wenn sie friedlich sind, geduldet. Dass dem nicht so ist, beweist z.B. die Demonstration zum feministischen Kampftag 2023, die von der Polizei gewaltsam aufgelöst wurde, mit der Begründung, dass sie nicht bewilligt war. Polizei und Medien bedienen das Narrativ der “illegalen” Demos – obwohl unbewilligte Demos an sich keineswegs illegal sind – und nutzen die Begrifflichkeit aus, um gewalttätige Repression zu rechtfertigen. Doch selbst wenn man – wie die Polizei immer wieder empfiehlt – Demos bewilligen lässt, ist man ebenfalls nicht sicher vor Repression, wie die Einkesselungsaktion des 1. Mai 2023 zeigte. Damit schrecken sie die Bevölkerung von der Teilnahme an Demonstrationen ab (sog. “chilling effect”) und untergraben das Demonstrationsrecht und die Versammlungsfreiheit.

Die JUSO Basel-Stadt fordert deshalb einen Systemwechsel: Die Bewilligungspflicht soll abgeschafft und durch eine Anmeldepflicht ersetzt werden.

Repression in Zusammenhang mit Fangewalt

Fangewalt als solches ist ein Phänomen mit langer Geschichte, insbesondere im Zusammenhang mit Fussball. Klar ist, die JUSO Basel-Stadt distanziert sich in jedem Fall von Gewalt gegen Menschen.

Dass das Thema Fangewalt in letzter Zeit so hochgekocht wurde, hat jedoch weniger mit den Gewaltvorfällen selbst zu tun, sondern vielmehr mit dem anschliessenden (behördlichen) Umgang damit. Mit vergleichendem Blick auf verschiedene Schweizer Kantone/Städte kann festgehalten werden: Die behördlichen Hebel werden oft bis immer am falschen Ort angesetzt. Sie zeigen keine Wirkung und sie vergrössern den Graben zwischen Fans und Behörden, was eine langfristige Lösung verunmöglicht.

Obschon Fangewalt in Stadien in den letzten Jahren stetig abgenommen hat, hält man seitens Behörden und Politik an Massnahmen fest, die keinerlei Grundlage, geschweige denn Wirkung haben. So zeigen Studien, dass das seit 2012 in Kraft stehende Hooligan-Konkordat kaum Wirkung gezeigt hat. Trotzdem will es die Basler Regierungsrätin Stephanie Eymann erneut auf den Tisch bringen (der Grosse Rat hat vor Jahren einen Beitritt abgelehnt). Bei erneuten und oft kaum präventiv zu vermeidenden Gewaltvorfällen werden noch immer Kollektivstrafen wie Sektorsperrungen verhängt. Auch personalisierte Tickets dürften demnächst eingeführt werden. Dass diese Massnahmen Wirkung zeigen, wird von Expert*innen deutlich hinterfragt. Sogar die Swiss Football League (SFL) ist erst vor Kurzem aus den Plänen für das behördliche Kaskadenmodell ausgestiegen – aus guten Gründen. Doch die wissenschaftlichen Einordnungen scheinen Stephanie Eymann nur marginal zu interessieren. Auf die Aussage, dass Kollektivstrafen sehr kontraproduktiv sein können und die Wissenschaft dies oft bestätige, meinte Eymann: “Ich will nicht die Wissenschaft in Zweifel ziehen, aber ich bin da anderer Meinung.” Es gibt “Aber”, die schwer wiegen.

Auch hier wird deutlich: Mehr Repression (Kollektivstrafen wie Sektorsperrungen, personalisierte Tickets usw.) bei Publikums- und Sportevents führt nicht zu mehr Sicherheit – weder im Stadion selbst und schon gar nicht ausserhalb.

Die JUSO Basel-Stadt fordert deshalb den Verzicht auf unnötige Massnahmen wie Sektorsperrungen und personalisierte Tickets und warnt die Regierungsrätin Stephanie Eymann davor, das gescheiterte Hooligan-Konkordat erneut auf den Tisch zu bringen. Auch das vorliegende und vorgesehene Kaskadenmodell weist die JUSO Basel-Stadt entschieden zurück.

Vision und nächste Schritte für Basel

Der 1. Mai 2023 hat uns gezeigt, zu welchen Mitteln die Polizei in Basel greift und welche gesundheitlichen Konsequenzen sie dabei in Kauf nimmt. Es wurde auch deutlich, dass die Polizeidirektorin Stephanie Eymann repressive und gewaltvolle Mittel gezielt und rücksichtslos einsetzt.

Weil es so nicht mehr weitergehen kann, wünscht sich die JUSO Basel-Stadt ein Basel, in dem Demonstrationen stattfinden können, ohne dass die Polizei diese bereits präventiv einkesselt. Ein Basel, in dem am 1. Mai, ohne polizeiliches Grossaufgebot demonstriert werden kann. Ein Basel, in dem feministische Demonstrationen ohne gewaltsame Repression stattfinden können. Ein Basel ohne Fangewalt, aber auch eines ohne unnütze und sinnlose Kollektivstrafen bei Sportevents. Ein Basel ohne Polizeidirektorin Stephanie Eymann und ihre repressive Politik.

Kurz: Ein Basel, in dem die Demonstrationsfreiheit hochgehalten und als Grundrecht anerkannt wird.

Die JUSO Basel-Stadt setzt sich dafür ein, dass die genannten Forderungen umgesetzt werden, und setzt sich mit aller Kraft dafür ein, dass Basel-Stadt ein repressionsfreierer Kanton wird.